Du kannst Grammatik können und trotzdem hängen bleiben. Du kennst die Zeitform, du kennst die Wortstellung, du weisst sogar, was du sagen willst – und genau dann liefert dein Gehirn: nichts. Nicht mal ein ganz normales Basiswort.
Genau deshalb behandle ich „Wortschatz aufbauen“ wie ein eigenes Projekt. Nicht als zufälligen Nebeneffekt von Videos. Nicht als schlechtes Gewissen nach der Grammatiklektion. Sondern als separaten Prozess mit eigenen Tools, einer kleinen Routine und klarem Feedback.
Warum dich Grammatik allein nicht ins Sprechen bringt
Grammatik ist die Karte. Wortschatz ist die Strasse.
Im echten Gespräch hast du keine Zeit, Regeln wie mit einem Taschenrechner durchzurechnen. Du arbeitest mit Gewohnheiten und Mustern. Grammatik hilft, dass diese Muster sauber bleiben. Aber der Motor ist trotzdem Wortmaterial – Wörter und Chunks.
Eine sehr normale Situation sieht so aus:
Du willst sagen: „Ich habe einen Tisch reserviert.“
Du kennst das Perfekt. Du weisst, wo das Verb hinmuss. Vielleicht hast du sogar „einen Tisch“ parat. Aber das Verb „reservieren“ fehlt – und der ganze Satz klappt zusammen. Perfekte Grammatik ohne Verb ist wie ein schön verpacktes, leeres Geschenk.
Wenn du schon mal gedacht hast: „Ich verstehe alles, aber ich kann nicht sprechen“, passiert oft genau das. Dein passives Wissen ist weiter als dein aktiver Abruf.
Was „Vokabeln im Kopf“ wirklich heisst
Viele reden über „ein Wort kennen“, als wäre das ein Ja-oder-Nein-Häkchen. In der Praxis hat Wortschatz Stufen.
Passiver Wortschatz ist, was du erkennst, wenn du es liest oder hörst.
Aktiver Wortschatz ist, was du schnell genug hervorholen kannst, während du über Bedeutung nachdenkst – nicht über Sprache.
Die meisten Lernenden bauen passiven Wortschatz viel schneller als aktiven. Das ist kein Charakterfehler. Das ist Gedächtnis.
Und hier liegt der Punkt: Dein „Wörterbuch im Kopf“ ist keine Liste. Es sind Abrufwege. Du speicherst nicht nur „to book = reservieren“. Du speicherst Hinweise, die dich schnell zum Wort führen.
- Wie das Wort klingt.
- Ein typischer Satz, in dem es vorkommt.
- Eine Situation, in der du es benutzt hast.
- Der Kontrast zu einem ähnlichen Wort.
- Eine kurze Erklärung, die dich vor dem falschen Gebrauch stoppt.
In dem Moment, in dem du das Wort ohne lange Suche abrufen kannst, wird es wirklich nutzbar.
Wiederholen ist nicht langweilig – es ist der Mechanismus
Wenn Wörter beim Sprechen auftauchen sollen, brauchen sie Wiederholungen über Zeit verteilt.
Bulimie-Lernen ist die klassische Falle. Du schaust 20 Minuten auf eine Liste, fühlst dich produktiv – und morgen ist die Hälfte weg. Das bedeutet nicht, dass du „schlecht in Sprachen“ bist. Es bedeutet nur: Dein Gehirn hat kein Signal bekommen, dass das langfristig wichtig ist.
Eine gute Wiederholung macht zwei Dinge:
- Sie zwingt dich zum Abruf, nicht nur zum Wiedererkennen.
- Sie passiert nochmal, bevor die Erinnerung komplett verblasst, damit sie verstärkt wird.
Genau dafür gibt es spaced repetition (intervallbasierte Wiederholung). Nicht 50-mal heute. Sondern eine sinnvolle Anzahl über Tage und Wochen, mit grösser werdenden Abständen, bis das Wort stabil sitzt.
Warum Wortlisten sich gut anfühlen und dich trotzdem hängen lassen
Wortlisten sind beliebt, weil sie simpel sind. Aufschreiben, markieren, abhaken – fühlt sich nach „Thema erledigt“ an.
Das Problem: Listen trainieren meist Wiedererkennen, nicht Abruf. Du siehst ein Wort, dann die Übersetzung. Dein Gehirn kann sehr gut so tun, als wäre das Lernen.
Listen haben auch handfeste Nachteile:
- Kein eingebauter Plan, also vergisst du das Wiederholen oder wiederholst alles auf einmal.
- Kein Druck, das Wort zu produzieren, also wächst aktiver Wortschatz kaum.
- Oft kein Audio, dadurch bleibt das Wort „stumm“ im Kopf und ist in echter Sprache schwerer zu erkennen.
- Schwacher Kontext, du weisst „was es bedeutet“, aber nicht, wie man es benutzt.
Listen sind nicht böse. Sie sind einfach nicht dafür gebaut, dass Wortschatz auf Abruf kommt.
Warum Karteikarten praktischer sind als Listen
Karteikarten gewinnen für mich, weil sie Wortschatz in kleine, wiederholbare Handlungen verwandeln.
Eine gute Karte ist kein Wörterbucheintrag. Sie ist ein Prompt, der dich versuchen lässt, scheitern lässt, nachjustieren lässt – und dann wieder zur richtigen Zeit zurückkommt.
Karteikarten helfen, weil:
- Sie aktiven Abruf trainieren: du versuchst die Antwort, bevor du sie siehst.
- Sie eine Routine schaffen: kurze Sessions ohne „Vorbereitung“.
- Sie mit Abständen arbeiten: Karten kommen zurück, wenn du sie fast vergessen würdest.
- Sie skalieren: jeden Tag ein paar neue Wörter, ohne dass der Aufwand explodiert.
- Sie messbar sind: du siehst, was klebt und was nicht.
Und wenn Karten Audio und Beispielsätze haben, lernst du nicht nur „eine Übersetzung“, sondern ein nutzbares Stück Sprache.
Wie eine gute Vokabelkarte aussieht
Wenn Wortschatz zu Sprache werden soll, muss die Karte mehr unterstützen als nur die Bedeutung.
Mindestens willst du:
- Das Wort oder die Phrase in der Zielsprache.
- Unterstützung für Aussprache, inklusive Audio und Transkription.
- Eine klare, kurze Erklärung der Bedeutung, plus bei Bedarf eine ausführlichere.
- Eine Übersetzung in deine Muttersprache, mit Blick auf Kontext.
- Einen oder mehrere Beispielsätze, plus Usage Notes, wenn sinnvoll.
Optionale Extras können auch viel bringen:
- Eine Eselsbrücke, die deinem Gehirn einen Haken gibt.
- Ein Bild als schneller visueller Anker.
Das ist der Unterschied zwischen „ich habe das Wort mal gesehen“ und „ich kann es benutzen“.
Das fehlende Puzzleteil: in beide Richtungen üben
Wenn du nur von der Zielsprache in deine Muttersprache übst, baust du vor allem Wiedererkennen.
Das ist nützlich, aber fürs Sprechen nicht genug.
Zum Sprechen brauchst du die Rückrichtung: du siehst die Bedeutung in deiner Muttersprache und produzierst das Wort oder die Phrase in der Zielsprache. Genau da lernt dein Gehirn den Abruf.
Ein praktischer Ablauf sieht so aus:
- Zuerst wirst du sicher im Erkennen und Verstehen.
- Nach genug erfolgreichen Wiederholungen schaltest du Reverse Practice an und zwingst die aktive Produktion.
Dann wird das Wort schneller, automatischer und taucht viel eher im Gespräch auf.
Wenn du schon mal gesagt hast: „Ich weiss es, ich kann es nur nicht sagen“ – dann fehlt dir meistens genau diese Rückrichtung.
Vokabeln als eigener, effizienter Prozess
Hier überkomplizieren viele. Du brauchst keine neue Persönlichkeit. Du brauchst eine kleine tägliche Schleife.
So bleibt es realistisch:
- Mach zuerst die geplanten Wiederholungen, bevor du Neues dazunimmst.
- Füge nur eine kleine Menge neue Wörter hinzu, kein Held*innen-Stapel.
- Nutze Audio, auch wenn es sich langsamer anfühlt.
- Sag das Wort mindestens einmal laut. Ja, wirklich laut.
- Halte dir ein paar Beispielsätze, die du verstehst und wirklich sagen würdest.
Wenn du Zahlen willst, die dein Gehirn nicht schmelzen lassen: 10–20 neue Karten pro Tag funktionieren gut, wenn du die Reviews dranbleibst. Das „Geheimnis“ ist nicht die Zahl. Es ist Konsistenz plus Abstand.
KI richtig nutzen (ohne dich selbst zu belügen)
KI ist stark für Übung und Support. Sie kann:
- Mehr Beispielsätze in einem Stil liefern, der dir gefällt.
- Deinen Satz so umformulieren, dass er natürlicher klingt.
- Ein kurzes Rollenspiel zu deinem Thema spielen.
- Wiederkehrende Fehler markieren, die du ständig machst.
Aber KI ersetzt nicht das Auswendiglernen von Wortschatz. Das Wort muss in deinem Gedächtnis liegen und schnell verfügbar sein, sonst benutzt du es nicht, wenn es zählt.
Die gesündeste Sichtweise:
- Karteikarten und spaced repetition bauen Speicherung und Abruf.
- KI macht Nutzung realer und Übung flexibler.
Nutze KI als Fitnessstudio fürs Output, nicht als magische Festplatte.
Typische Fehler, die leise deinen Fortschritt killen
Diese Muster sehe ich ständig:
- Zu viele neue Wörter hinzufügen und dann in Reviews ertrinken.
- Audio überspringen, weil es „optional“ wirkt, und später echte Sprache schlecht verstehen.
- Nur einzelne Wörter lernen und Phrasen ignorieren, dann in unnatürlichen Bruchstücken sprechen.
- Wortschatz nur passiv halten und sich wundern, warum Sprechen nicht besser wird.
- „Ich habe es erkannt“ mit „ich kann es“ verwechseln und überrascht sein, wenn es im Gespräch weg ist.
Wenn du nur eine Sache fixen willst, dann diese: Miss Wortschatz nicht an Wiedererkennen. Miss ihn an Abruf.
Was du heute tun kannst
Nimm eine kleine Aktion, die du wirklich machst, nicht eine Fantasie-Routine.
- Wähle ein Thema, über das du im echten Leben redest, und lerne 10 nützliche Wörter oder Phrasen dazu.
- Gib zu jedem neuen Eintrag mindestens einen Beispielsatz, den du verstehst.
- Hör das Audio und wiederhole es einmal laut.
- Wiederhole erst die Karten von gestern, bevor du Neues hinzufügst.
- Mach eine kurze Session in der Rückrichtung von deiner Muttersprache zur Zielsprache.
Schon eine Woche davon fühlt sich anders an. Wörter tauchen auf, ohne dass du sie mit Gewalt herausziehen musst.
So geht’s simpel mit My Lingua Cards
Wenn du Wortschatz als sauberen, separaten Prozess willst, ist My Lingua Cards genau auf diesen Ablauf gebaut. Du nutzt fertige Sets aus Wörtern und Phrasen und trainierst sie mit smarten Karten, die Audio, Transkription, Übersetzungen, kurze und bei Bedarf ausführlichere Erklärungen sowie Beispielsätze enthalten. Das System mit intervallbasierten Wiederholungen entscheidet, was heute dran ist, damit du Zeit mit Abruf verbringst – nicht mit Organisation.
Nach genug erfolgreichen Wiederholungen kannst du auch in der Rückrichtung üben, damit Wörter nicht nur „erkannt“, sondern wirklich nutzbar werden. Für kontrollierte Übung im Gesprächsmodus gibt es im Service auch einen KI-Chat als eigenen Übungsbereich, der mit einer aktiven bezahlten Subscription verfügbar ist. Zum Einstieg kannst du erst einmal mit dem kostenlosen Start loslegen und bis zu 200 Vokabelkarten ausprobieren – direkt im Browser, ohne extra Setup.